Aus heiterem Himmel flatterte Leunas Stadt- und Ortschaftsräten eine Vorlage der
Stadtverwaltung auf den Tisch: Wegfall des beitragsfreien Vorschuljahres und saftige
Gebührenerhöhung in den Kita, und das ab sofort. Für die SPD-Fraktion wieder einmal eine planlose Einzelaktion der Stadtverwaltung, ohne Vorankündigung und ohne jegliche politische Vorbereitung. Besonders erregte uns, dass ausgerechnet das beitragsfreie letzte Kindergartenjahr gestrichen werden sollte, auf das die Stadt wirklich stolz sein kann und das sie erhalten sollte.
Nun könnte man denken: Wenn die Haushaltlage sich verschlechtert hat –und das ist
tatsächlich der Fall -, dann müssen auch liebgewordene soziale Errungenschaften fallen. Im Grundsatz zwar richtig, aber in einer geordneten Verwaltung wird dann ein Konzept vorgelegt, nach dem der Haushalt durch ein Bündel verschiedener Maßnahmen wieder auf sichere Füße gestellt wird. Dabei kann es durchaus auch die Kita-Gebühren treffen. Nur: In Leuna ist die Haushaltssituation bis jetzt nicht so dramatisch. Die Stadt kann nach wie vor freiwillige Aufgaben übernehmen, von denen andere Gemeinden nur träumen können. Eine Haushaltskonsolidierung wird von der Aufsicht nicht verlangt. Will die Verwaltung trotzdem schlechten Zeiten vorbeugen, dann unterstützen wir das selbstverständlich. Aber mit den Kita- Gebühren als erstem und einzigem zu beginnen, war mit uns nicht zu machen. So dachten zwar auch Mitglieder der Fraktion CDU/Berthold, eine der beiden CDU-Gruppen im Leunaer Stadtrat, aber zu einer Mehrheit hätte es nicht gereicht.
Da kam unerwartete Unterstützung von Eltern verschiedener Kindertagesstätten. Sie erfuhren in diesen Wochen, dass man in unserer Stadt auch als nichtgewählter Bürger etwas bewegen kann: Die drastische Erhöhung der Kita-Gebühren ist vom Tisch und es bleibt beim beitragsfreien Vorschuljahr.
Nicht nur die Sache selbst ist erfreulich, weil sie sozial ist und weil damit vielleicht junge
Familien nach Leuna gezogen werden, sondern auch die Art und Weise, wie die Entscheidung
im Stadtrat zu Stande kam. Eltern meldeten sich in der Fragestunde zu Wort, um ihr
Unverständnis auszudrücken und um für eine familienfreundliche Stadtpolitik zu werben.
Sachlich und diszipliniert traten sie auf, verfolgten auch die Sitzungen der Ausschüsse. Bei unserer Fraktion stießen sie auf offene Ohren, denn wir hatten die Vorlage der Verwaltung gemeinsam mit CDU/Berthold von Anfang an abgelehnt, weil die Stadt sich nicht in einer derartigen Notlage befindet, gute soziale Regelungen abschaffen zu müssen.
Die SPD ist grundsätzlich für mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz bei Entscheidungen im Stadtrat, weil althergebrachte Parteipolitik für viele Bürgerinnen und Bürgern wenig attraktiv ist. Sie wollen sich nicht fest an eine Partei oder Wählergruppe binden, sondern sich nur bei einzelnen Themen einmischen. Zwar reicht eine solche Haltung nicht aus, um die ganze Breite der Kommunalpolitik abzudecken, aber die SPD will Ansprechpartner für diese Menschen sein.
Natürlich sollten diese Bürger irgendwann auch Verständnis für die anderen Teile der
Kommunalpolitik entwickeln und unsere Stadt als Ganzes sehen, denn erst das stärkt die Demokratie und wirkt gleichzeitig gegen Lobbyismus.
Es versteht sich, dass Bürgerinitiativen im Stadtrat nicht immer bequem sind – in einigen Fraktionen löste das Erscheinen der Eltern alles andere als Begeisterungsstürme aus, von „aufgehetzten Eltern“ war die Rede -, aber dazu muss jede Fraktion ihre eigene Position beziehen. Unsere Fraktion fand die direkte Einmischung der Eltern gut, auch deshalb, weil manch einer dadurch Zugang zur Kommunalpolitik findet. Mehr Bürgerbeteiligung ist eine Gestaltungschance, die wir Sozialdemokraten nutzen wollen.
Nach emotionalen Diskussionen schwenkte auch die verwaltungsfreundliche Mehrheit im Stadtrat auf unsere Linie ein, allerdings nicht ganz. Wenigstens eine kleine, wohl eher symbolische Gebührenerhöhung setzte sie durch. Das war dann wirklich Kindergarten im Stadtrat.
Tilo Heuer
Fraktionsvorsitzender